Dienstag, 24. Mai 2016

„Geniale Dilletanten“

Ein Artikel von Leonard Scharpf und Ulf Kaestner.

Am 26.04.2016 waren wir, das Semester 1.1, zu Besuch in der Ausstellung „Geniale Dilletanten“ im Museum für Kunst und Gewerbe. Begleitet wurden wir dabei von Peter Hinrichs und geführt hat uns Verena Braun. Die Ausstellung war unkonventionell und reflektierte eine Welt, in der die junge Generation nach Selbstverwirklichung fernab des typisch deutschen Lebens strebte.

Die Exhibition drehte sich um die in den 1980er Jahren entstandene, rohe und ungehobelte, Protestbewegung zum deutschen Spießertum, die sich vorrangig in Westberlin bildete. Sie trug keinen einheitlichen Namen: Die Ausstellung selbst greift den Titel eines Musikfestivals auf, der später stellvertretend für die gesamte Richtung verwendet wurde.
Dort wo die Bürger von der Mauer eingekreist und Gelegenheiten, etwas zu erreichen, selten waren ließ die frustrierte deutsche Jugend ihren Gefühlen in der Kunst freien Lauf. Dabei waren Qualität und ästhetischer Anspruch zweitrangig oder sogar ungewollt – Man wollte provozieren. Die „Dilletanten“, welche sich hauptsächlich aus den Bildungseliten der Universitäten und Kunstschulen zusammensetzten, versuchten absichtlich, nicht in die Akademielandschaft zu passen.
Anders als das Etablissement der damals gegenwärtigen Kunstwelt versuchten sie Kunstwerke für den Moment zu erschaffen. Oft war dabei der Entstehungsprozess mindestens genau so wichtig wie  das Produkt. Man wollte beim Erschaffen seine körperlichen Grenzen erfahren. Werke wurden oft nur für eine Nacht ausgestellt und wie der Auftritt einer Band zelebriert.
Körperliche Grenzen: Dieses 28×4 Meter Bild entstand innerhalb von drei Tagen und wurde nur einen einzigen Abend in einem Nachtklub ausgestellt.

Geniale Dilletanten

Geniale Dilletanten

Der Ausdrucksdrang der Künstler beschränkte sich nicht nur auf visuelle Medien, sondern sie experimentierten auch mit ihren Gehörgängen. Die Ausstellung wurde durch teilweise knapp an Lärm vorbeischrammende, in Garagen produzierte, Musikkulissen untermauert. Auch hier galt das Motto: „Jeder ist sein eigener Produzent“. Ein wichtiger Teil der Bewegungsphilosophie war neben dem Selbst-Machen auch das Selbst-Vertreiben der eigenen geistigen Ergüsse. In dieser Musikkultur entstanden Bands wie die Einstürzenden Neubauten, die heute noch existieren. Um den englischen Pop, der in der Allgemeinheit verbreitet war zu kontrastieren, sangen ausnahmslos alle Bands der Szene auf Deutsch. Die klassischen Lehren des Lied-Aufbaus flogen, zusammen mit dem Wissen über Oktaven und Tonharmonien, aus dem Fenster, um Platz für reine Emotionen zu schaffen.
Der Inhalt ist daher für manche Geschmackssache, hat aber definitiv seinen Platz in der Entwicklung der deutschen Kunst. Manche Vertreter des Genres überleben bis heute und den einen oder anderen modernen Musikstil kann man bis hier zurückverfolgen.

Lärm mit Charme: Auch bei den selbst entworfenen Plattenlabeln setzte man auf ungewöhnliche, unverfrorene Motive.

Lärm mit Charme

Lärm mit Charme

Es existierten auch ambitionierte und durchgeplante Langzeitprojekte. Ein Beispiel dafür ist „Die Tödliche Doris“, eine zeitgenössische Band mit wechselnder Besetzung. Doris selbst war eine Kunstfigur, die es nie wirklich gegeben hat. Sie drückte sich bei Auftritten durch die Bandmitglieder oder sogar das Publikum aus. Die Band lebte ihre Vorstellungen in teilweise sehr abstrakter Weise. So existiert zum Beispiel eine „Unsichtbare“ LP, die entsteht, wenn man „Unser Debüt“ und das absichtlich im Mainstream-Stil gehaltene Album „Sechs“ gleichzeitig auf zwei Plattenspielern abspielt. Dabei sind die Geräuschkulissen haargenau aufeinander abgestimmt.
Der letzte Auftritt der Band bestand darin, dass ein Kritiker auf die Bühne trat und deklarierte, die Band habe sich in Wein aufgelöst und schmecke sehr gut. Der entstandene Wein wurde auf Vernissagen angeboten.

Schlussendlich kann man sagen, dass wir einen interessanten Einblick in ein Stück deutscher Zeitgeschichte erlebt haben. Aus ästhetischer Sicht haben wir zwar nicht viel mitgenommen und besonders tiefgründig war die Ausstellung auch nicht, aber die reine Emotionalität der „Dilletanten“, die sich in ihren Werken widerspiegelt, sollte man einmal gesehen haben.

Der Lampendino: Tiefgang nicht immer inklusive.

Der Lampendino

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