Montag, 30. November 2015

Wenn morgen heute schon gestern wär’

Isabel Mansfeld räumte mit ihrer Abschlussarbeit zum Thema Prokrastination mit 100% ab!
Wir haben sie zum Interview gebeten und wollten mehr über diese Glanzleistung erfahren.

Mia:
Das Thema deiner Abschlussarbeit war Prokrastination. Wieso hast du dich dafür entschieden?
Isabel:
Die Suche des Themas ist für viele vermutlich die größte Herausforderung. Schließlich muss man etwas finden, was genug Stoff bietet, um sich damit über Monate hinweg zu beschäftigen – und noch viel wichtiger: Womit man sich so lange auch wirklich beschäftigen möchte. Gerade im Bereich Editorial ist eine sehr textintensive Auseinandersetzung notwendig. Auch bei mir war die Themensuche ein ziemlicher Krampf. Ich wollte ein Gesellschaftsphänomen als Thematik, das jeder kennt und bei dem jeder mitreden kann. Bei der Suche nach einem passenden Oberbegriff bin ich mehrfach über das Wort Prokrastination gestolpert, bis ich festgestellt habe, dass es genau die Betitelung war, nach der ich die ganze Zeit gesucht hatte. Das war ein bisschen wie mit so einem Kassenbandwarentrennstabding – ich wusste genau, das gibt es und jeder kennt es, aber ich kannte nicht die genaue Bezeichnung dafür. Warum ich mich letztendlich dafür entschieden habe? Weil es wie Arsch auf Eimer zu mir passt (die Zeit der Umsetzung meiner Abschlussarbeit bestätigt das)! Es ist ein Thema, das immer mehr an Bedeutsamkeit gewinnt und auch für immer mehr Gesprächsstoff in der Gesellschaft sorgt, aber trotzdem noch nicht so ausgelutscht ist. Mit einem Magazin über Essen, Rezepte, Mode oder Reisen hätte ich mich nicht identifizieren können. Beim Thema Prokrastination hingegen war ich selbst mein bestes Versuchskaninchen und ich habe es durch die Arbeit geschafft, eine ganz andere Sicht auf mein eigenes Aufschiebeverhaltens zu gewinnen.

Mia:
Kannst du an dieser Stelle noch einmal kurz erklären, was Prokrastination genau bedeutet?
Isabel:
Das Wort stammt aus dem Lateinischen und setzt sich zusammen aus dem Wort „Pro“, das übersetzt „für“ bedeutet und „cras/crastinus“ was „morgen“ bzw. „morgig“ bedeutet. Das lateinische Wort procrastinare beinhaltet zusammengesetzt soviel wie Vertagung oder Verzögerung und ist das Verhalten, als notwendig, aber unangenehm empfundene Arbeiten immer wieder zu verschieben, anstatt sie zu erledigen. Im Deutschen gibt es dafür weniger wohlklingende Wörter wie Aufschieberitis, Erledigungsblockade oder Erregungsaufschiebung. Vereinfacht gesagt ist Prokrastination also der Titel für unseren inneren Schweinehund und somit für all die Versprechen, die man sich gegeben und nicht eingehalten hat, die Bezeichnung für viele Ziele, die man sich gesetzt und nicht erreicht hat; sie steht für all die abgebrochenen Diäten, die langen Nächte vor einer Deadline, all die ungeordneten Papierstapel, usw.

Mia:
Hast du dich direkt an die Arbeit gemacht oder erstmal aufgeschoben?
Isabel:
Ich hoffe, es handelt sich dabei um eine rhetorische Frage. Natürlich habe ich sofort mit der Arbeit begonnen – nur nicht mit der Arbeit für meine Abschlussarbeit. Stattdessen habe ich meinen grünen Daumen, eine handwerkliche Leidenschaft und ein Interesse für das Aussortieren fremder Kleiderschränke entdeckt. Womit ich tatsächlich sehr früh begonnen habe, ist die Recherche, das Lesen von Büchern und das Zusammenschreiben von Texten. Die dafür benötigte Zeit habe ich eindeutig unterschätzt. Zwischen der Theorie und der Umsetzung bzw. Gestaltung lag noch einmal eine wochenlange Phase, in der ich mich vor dem ersten Schritt gedrückt habe. Die Angst, die Umsetzung könnte nicht meinem Bild im Kopf entsprechen, stand zu sehr im Vordergrund, sodass sich immer wieder Tätigkeiten finden ließen, die lieber
erledigt werden wollten.

Mia:
Welchen Themenbereich hast du gewählt und welche Medien hast du bespielt?
Isabel:
Schon lange bevor ich mein Thema wusste, war klar, dass ich meine Abschlussarbeit im Bereich Editorial machen werde. Zum einen, weil ich dieses Fach während meines Studiums am spannendsten fand, zum anderen weil ich ein Faible für die analoge Welt habe. Im Bereich Editorial habe ich am Ende einfach mehr das Gefühl, das Ergebnis in den Händen halten zu können als in allen anderen Bereichen. Nachdem ich mein Thema gefunden hatte und dessen Umfang immer deutlicher wurde, kam die Idee auf ein richtiges Buch statt einem Magazin zu machen. Diese Idee wurde von den Dozenten zum Glück sehr positiv aufgenommen, unterstützt und konnte so
immer mehr Form annehmen.

Das entgültige Buch

Das entgültige Buch

Zu dem Zeitpunkt war mir allerdings noch nicht bewusst, dass diese Entscheidung auch eine neue Herausforderung bedeutete – der Aufbau eines Magazins war nicht einfach adaptierbar auf die Gestaltung eines Buches. Die meiste Zeit habe ich natürlich in das Buch gesteckt, aber schon in der ersten Phase kamen mir viele Ideen, was  man alles noch darüber hinaus machen könnte. Aufgrund des „leichten Zeitmangels“ zum Ende hin, konnte ich natürlich nur einige dieser Sachen umsetzen und ich durfte feststellen, dass Differenzierung und den Blick für das Notwendige nicht zu verlieren zur Abschlussarbeit dazugehören. Um einem Prokrastinierer das Buch zusätzlich noch ein wenig schmackhafter zu machen, kann es in einer Standard-Komplettbox gekauft werden. Dazu gehören Sticker und Postkarten mit Buchmotiven, ein etwas anderer To-Do-Block, ein Kalender, ein gravierter Stift, ein Lesezeichen, ein bedruckter Turnbeutel sowie das Spiel „Auf die Plätze. Fertig. Morgen.“, das einem mit einer 5:1 Chance das Aufschieben erlaubt und einem eine Auswahl an Prokrastinationstätigkeiten bietet.

Alles auf einen Blick

Alles auf einen Blick

Ebenso kann online eine eigene Box zum Buch zusammengestellt werden, wofür ich das Screendesign gestaltet habe. Auf dieser Webseite gibt es noch viele weitere Artikel rund um das Thema, wie z.B. Shirts mit verschiedenen Motiven.

Die Webseite

Die Webseite

Um auf das Buch und die Webseite aufmerksam zu machen, habe ich drei verschiedene POS-Printaktionen umgesetzt: eine Plakat- und Postkartenaktion zur Herausgabe des Buches, eine dauerhafte Lesezeichenaktion in Illustrierten und Büchern rund um das beworbene Buch sowie eine Guerillaaktion mit großen Spruchstickern für z.B. die Leipziger Buchmesse.

Zum Kleben

Zum Kleben

Natürlich wären noch viele weitere Merchandise-Artikel oder Buchzusätze möglich gewesen, aber „hätte, würde, könnte“ haben
mein Prokrastinationswesen nicht sehr beeindruckt.

Mia:
Was macht dein Buch besonders bzw. unterscheidet dich von anderen Büchern zum selben Thema?
Isabel:
Mein Ziel war es, ein zeitgemäßes und themenspezifiziertes Buch inklusive Tipps und Tricks am Rande, vereint in einer Kombination aus Emotionalität, Humor, Ästhetik und Informationsgehalt zu machen. Am wichtigsten war dabei, das Thema subjektiv zu behandeln, mich selbst also einzubeziehen und diese doch recht umfangreiche und psychologisch belastete Thematik zwar mit belegtem Fachwissen anzufüttern, aber so weit herunterzubrechen, dass jeder etwas damit anfangen kann. Viele auf dem Markt vertretenen Wettbewerber sind meist von Psychologen, Wissenschaftlern oder Therapeuten geschrieben, sehr textlastig, beleuchten hauptsächlich die schlechten Seiten der Prokrastination und versuchen sie einem auszutreiben. Für Prokrastinierer gibt es aber nichts schlimmeres, das mehr aufgeschoben werden möchte als ein Buch, das 200
Seiten lang nur aus Text besteht. Ich habe es mir zur Herausforderung gemacht, die positiven Seiten der Prokrastination in den Vordergrund zu stellen und zu sagen „Hey, es ist nicht schlimm wenn du etwas auf morgen verschiebst. Auch nicht wenn du weißt, dass du es morgen auf übermorgen verschieben wirst und es vielleicht nie erledigen wirst“. In dem eigenen Prokrastinationsverhalten kann viel Potential mit versteckten Botschaften stecken.

Mia:
Wer war während dieser Arbeit dein bester Ratgeber?
Isabel:
In den Monaten gab es viele kritische Gefährten, Korrekturleser, Mutmacher und Prokrastinationsanhänger. Guten Input und immer wieder neue Anregungen habe ich natürlich durch die Dozenten und meine späteren Prüfer René Fehrmann, Julia Meyran und Andreas Petersen erhalten. Nicht zu vergessen sind natürlich auch die Fachbücher zum Thema, die mir das Ganze noch zugänglicher gemacht haben und durch die ich viel inhaltliche Inspiration bekommen habe. Ansonsten war ich irgendwann an einem Punkt, bei dem ich vieles einfach erst einmal gemacht habe und erst später entschieden, was bleiben darf. Neben meinem Bauchgefühl waren aber wohl diejenigen die größte Hilfe, die mir immer wieder in den Hintern getreten haben, mich an meine Abschlussarbeit erinnert und immer wieder auf den Boden  zurückgeholt haben. Und wer könnte das besser als die eigene Mutti!

Mia:
Was hast du mit dem Buch jetzt vor?
Isbael:
Bisher habe ich auf diese Frage immer geantwortet „Frag mich das in einigen Monaten nochmal“. Tatsächlich habe ich schon mehrere Anfragen bekommen, ob das Buch zu kaufen sei. Bisher ist das nicht der Fall und ich habe noch nicht weiter geschaut, ob ein Verlag daran interessiert wäre. Erst einmal wollte ich meine Abschlussarbeit online bekannt machen, um den Interessierten einen Einblick geben zu können. Aber ich bin offen für alles.

Wer sich also von Isabel’s Buch selbst überzeugen will, bekommt hier noch einige Eindrücke geliefert:

Der Titel Lesezeichen Plakate Zubehör Zubehör Zubehör Zubehör Prokrastionation Specials Ein Blick ins Buch Postkarten

via kunstschule wandsbek http://bit.ly/1Oqy7eM

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